Magazine / 07 April 2021

Was macht eigentlich... eine der weltbesten Schlagzeugerinnen?

Wir haben Anika Nilles anlässlich des Tag des Schlagzeug um ein Interview gebeten. Warum das Schlagzeug weit mehr als nur Taktgeber ist und was das mit Yoga zu tun hat, verrät sie uns im Gespräch. 

„Ich wünsche mir sehr, mal wieder live auftreten zu können“

Am 4. April ist der Tag des Schlagzeugs. Anika Nilles gilt als ist eine der weltbesten Musikerinnen dieses Instruments. Ihr Stil zeichnet sich durch eine einzigartige Technik und ausdrucksstarken Sound aus. Damit inspiriert sie Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger weltweit, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ihre eigene Musik zu kreieren.

Frau Nilles, seit wann machen Sie Musik und wie kamen Sie zum Schlagzeug? 

Mein Vater war Schlagzeuger, so dass ich praktisch von klein auf mit dem Schlagzeug aufgewachsen bin. Ich lebte in einem kleinen Dorf und schon als kleines Kind saß ich in unserer Einfahrt und habe mit den Trommeln gespielt. Mit sechs Jahren kam ich dann in die Musikschule – was von vielen bei uns im Dorf skeptisch beäugt wurde, dass ein kleines Mädchen Schlagzeug lernt. Aber meine Eltern haben mich immer unterstützt und gefördert. Auch als ich dann mit zwölf Jahren anfing, in Bands zu spielen. Meine erste Band war eine Klassik-Rock-Band und die anderen Bandmitglieder waren damals schon 18 Jahre alt. Sie kamen alle vom musischen Gymnasium und wir spielten nur eigene Kompositionen. Ich habe damals viel gelernt, war seither immer als Schlagzeugerin in Bands. Und für mich war es immer wichtig, selbst zu komponieren.  

Welche Bedeutung hat für Sie das Schlagzeug in der Musik? 

Für mich ist das Schlagzeug weit mehr als nur der Timekeeper, der dafür sorgt, den Takt zu halten. Es geht vielmehr darum, die anderen Instrumente rhythmisch zu verbinden. Ich versuche, zu hören und zu fühlen, welche Elemente zum Beispiel der Keyboarder oder der Bassist rhytmisch spielen. Am Schlagzeug führe ich diese einzelnen Elemente dann auf der rhythmischen Ebene zusammen. 

Wie geht es Ihnen in der aktuellen Situation?  

Ich wünsche mir sehr, mal wieder live auftreten zu können. Doch die Auftragslage ist derzeit absolut unklar und mir fehlt – wie allen anderen Künstlern – die Planungsgrundlage. Dieses Gefühl der Unsicherheit begleitet mich permanent. Man fragt sich, wie viele Clubs wird es überhaupt noch geben, wie wird die Auftragslage sein und wie sehr werden die Gagen gedrückt werden. Dabei muss ein gewisses Preisniveau erhalten bleiben, sonst lohnt es sich nicht mehr. Das bereitet mir schon Sorgen – obwohl ich weiß, dass ich in einer besseren Situation als viele andere bin, da ich mir noch weitere Standbeine aufgebaut habe. 

Können Sie auch etwas Positives aus dieser intensiven Zeit ziehen?  

Ich bin sehr froh, dass ich in den letzten Jahren neben Live-Auftritten auch viel Zeit ins Recording, also in die Aufnahme meiner Alben und Youtube-Videos gesteckt habe und zudem sehr viel unterrichtet habe. Ich bin Dozentin an der PopAkademie in Baden-Württemberg und an der Nexus in England. Außerdem habe ich viele Privatschüler aus der ganzen Welt, die ich unter anderem über Skype unterrichte. Früher war das vielleicht ein Unterrichtstag im Monat, derzeit ist es einer in der Woche. Das ist gerade im Moment eine solide Einkunftsquelle. Diesen Bereich sowie auch das „Recording“ habe ich in den letzten Monaten nochmal deutlich vorangetrieben und weiter professionalisiert. 

Viele Kinder starten ihre Musikkarriere ja eher mit der Blockflöte oder dem Klavier. Warum sollten Kinder in Ihren Augen Schlagzeug spielen lernen?  

Das Schlagzeug ist ein sehr körperliches Instrument, bei dem es nicht darum geht, einfach nur draufzuhauen und sich auszutoben. Es ist sehr anspruchsvoll und verlangt viel Körperkoordination und Kontrolle. Beim Schlagzeug versucht man, mit einem nicht harmonischen Instrument Musik zu machen, das erfordert viel Gefühl, Dynamik und Körperkontrolle. Schlagzeugspielen ist ein bisschen wie Yoga. Man muss sich ständig damit auseinandersetzen, was ist körperlich möglich und wo liegen die Grenzen. Kinder profitieren davon in ihrer Entwicklung. Wenn sie im jungen Alter anfangen Schlagzeug zu spielen, haben sie oft einen ganz anderen Bezug zu sich selbst und zur Körperspannung und ihnen gelingt besser der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. 

Was wünschen Sie dem Schlagzeug zu seinem Geburtstag? 

Ich wünsche ihm noch viele hunderte Geburtstage als akustisches Instrument. Auch in der Musik wird alles zunehmend digitaler und ich hoffe, dass das Schlagzeug als akustisches Instrument überleben und sich auch noch weiterentwickeln wird – wo auch immer die Reise hin gehen mag.