Magazine / 09 November 2023

Conny Bauer: Free Jazz in der DDR

Foto: Stefanie Marcus

Der Jazzposaunist Conny Bauer gilt als Vorreiter der improvisierten Musik in der DDR. Mit Bands wie „Zentralquartett“ oder „FEZ“ sowie seinen Solo-Programmen setzte er Maßstäbe im Free Jazz. Zum Jahrestag des Mauerfalls haben wir mit ihm über den Musikeralltag in der DDR gesprochen.

Herr Bauer, wie haben Sie persönlich die Zeit des Mauerfalls und der Wiedervereinigung erlebt?

Am Tag des Mauerfalls war ich in Berlin und wir saßen den ganzen Tag vor dem Fernseher. Mit der Maueröffnung hat man ja bis zum 9. November überhaupt nicht gerechnet. Das war eine sehr spannende Zeit. Und als die Grenze dann offen war, konnten wir einfach losfahren und unsere Konzerte in Frankreich, Skandinavien und überall sonst spielen, ohne ein Visum beantragen zu müssen. Das hat unseren Musikeralltag enorm erleichtert.
Vorher brauchten wir für Auftritte im Ausland als DDR-Bürger nicht nur ein Ausreisevisum, sondern auch für jedes europäische Land ein Einreisevisum und eine Arbeitserlaubnis. Das war also alles unglaublich kompliziert. Dabei war es schon etwas Besonderes, dass wir überhaupt im westlichen Ausland spielen konnten.

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Konzert außerhalb der DDR?

Das müsste entweder in Weikersheim oder in Kirchheim unter Teck gewesen sein. Das war so: Ich bin 1977 vom DDR-Kulturministerium zu den Jazztagen in Westberlin geschickt worden, quasi als Studienreise. Da habe ich Leute getroffen haben, die ganz überrascht waren, dass wir rausdurften und vorgeschlagen haben, dass wir einige gemeinsame Konzerte spielen. Das war dann eine gemischte Besetzung aus West- und Ostmusikern. Später sind wir dann auch in Holland, Frankreich und Italien aufgetreten.

Sie waren in den 1970er und -80er Jahren Mitglied im Komitee für Unterhaltungskunst der DDR, ab 1984 sogar Vorsitzender der Sektion Jazz. Wie sah Ihre Arbeit im Komitee aus?

Ich habe im Komitee für Unterhaltungsmusik sogenannte „gestützte Touren“ eingeführt. Wenn jemand in kleinen Clubs spielen wollte, hatte aber eine Band von acht oder zehn Musikern, dann war natürlich klar, dass die Clubs keine Gagen in der Höhe zahlen konnten. Diese Bands haben dann einen Antrag gestellt und wir haben das in der Sektion Jazz aus einem eigenen Budget-Topf bezuschusst, damit die Leute auch in kleinen Clubs mit verhältnismäßig großen Gruppen für eine normale Gage spielen konnten.

Was ist mit diesem Programm nach der Wiedervereinigung passiert?

Ich denke, es ist erstmal zusammengebrochen, weil es die Gelder nicht mehr gab. Aber wir, die im Westen schon bekannter waren, haben sofort angefangen, im westlichen Ausland zu spielen. Wir brauchten die Förderungen nicht mehr.

1988, kurz vor dem Mauerfall, haben Sie ein Konzert im Leipziger Völkerschlachtdenkmal gespielt. Wie kam es dazu?

1984 hatte ich die Möglichkeit, in Köln in einem unterirdischen Trinkwasserspeicher die Platte „Flüchtiges Glück“ aufzunehmen. Ich habe dann überlegt, wo ich in einer solchen Akustik ein Konzert mit Publikum zu spielen könnte. Dabei ist mir eine Situation aus meiner Kindheit eingefallen: Ich war mit meinen Eltern einmal im Völkerschlachtdenkmal und da spielte jemand Trompete – einfach so, während des Publikumsverkehrs. So ist die Idee entstanden, ein Konzert im Völkerschlachtdenkmal zu spielen.

Und dieses Jahr haben Sie wieder dort gespielt.

Ja genau, vor einigen Jahren auch schon. Das hat inzwischen Tradition. Mittlerweile ist es auch einfacher, dort Konzerte zu veranstalten. Für das Konzert 1988 habe ich mit dem Jazzclub Leipzig zusammengearbeitet und für die war es gar nicht so leicht, dort reinzukommen. Das ging nur, weil das Völkerschlachtdenkmal damals 75-jähriges Jubiläum hatte. Der Mitteldeutsche Rundfunk hat das Konzert aufgenommen – für die war es auch das erste Mal, dass sie in diesem Raum eine Aufzeichnung machten. Mittlerweile gibt es dort regelmäßig Konzerte und für mich ist es immer eine Erinnerung an damals, wenn ich dort spiele.

Am 5. November wurde Conny Bauer beim Jazzfest Berlin mit dem Albert-Mangelsdorff-Preis 2023 ausgezeichnet. Die Deutschen Jazzunion ehrt den Posaunisten damit für sein Lebenswerk und seine Verdienste für den Jazz in Deutschland. Zur Pressemeldung.