Woher der Begriff Drag stammt, ist umstritten. Eine Legende besagt, „Drag“ stamme aus dem 16. Jahrhundert und sei die Abkürzung für „dressed as a girl“. Weil zu dieser Zeit an manchen Orten Frauen nicht auf einer Bühne performen durften, setzten Theaterautoren wie William Shakespeare kurzerhand Männer in Frauenkleidung ein und schrieben dazu „DRAG“ ins Textbuch.
Eine andere These verweist darauf, dass „Dragqueen“ ein britischer Slang-Ausdruck aus dem vorletzten Jahrhundert sei und homosexuelle Männer mit femininen Verhaltensweisen beschreibe. Am hartnäckigsten hält sich die dritte Version: Das englische Verb „to drag“ (auf Deutsch: schleppen) beziehe sich auf die opulenten Kleider mit langen Schleppen, die Dragqueens tragen würden, um ihre Geschlechterrolle zu wechseln. Wie dem auch sei - viel wichtiger ist, dass Dragqueens längst eine feste Größe im Showbusiness und darüber hinaus sind. Woher die Kunstform kommt und was Dragqueen Kris Blaq über ihre eigene Perfomances denkt, haben wir herausgefunden.
Während man sich über die Wortherkunft also noch streitet, ist man sich jedoch in einem heute einig: Dragqueens werden weit über die Grenzen der LGBTIQ+-Communities gefeiert. Das gilt natürlich auch für Deutschland. Die Drag-Szene ist glitzernd, schillernd, extrem vielfältig und vor allem: unfassbar kreativ. Drag ist ein spektakulärer Mix aus Mode, Make-up, Schauspiel, Tanz, Gesang und Provokation, auf einzigartige Weise und immer wieder neu interpretiert und inszeniert. Ob Lip-syncing (lippensynchrones Singen zu Background-Musik), Comedy oder Look-alike, ob als Galionsfiguren auf Pride-Paraden oder als Kandidatinnen in eigenen TV-Shows wie „RuPaul‘s Drag Race“ – Dragqueens sorgen stets für Unterhaltung mit dem gewissen Extra. Dabei sind sie so viel mehr als schrill, lustig oder aufgedonnert. Sie nutzen das Rampenlicht auch als Botschafterinnen für Gleichberechtigung aller geschlechtlichen und sexuellen Identitäten, machen auf soziale und politische Missstände aufmerksam und sammeln mitunter Spenden für soziale Projekte.
Die goldenen Zwanziger
Zurückverfolgen lassen sich die Drag-Ursprünge in Deutschland bis in die 1920er Jahre. Vor allem Berlin erlebte in dieser Ära seine kulturelle Blütezeit. Das Nachtleben wurde bestimmt von Varietés, Nachtclubs und Kabaretts, in denen Geschlechterrollen meist spielerisch hinterfragt wurden. Im dritten Reich war damit erstmal Schluss, doch nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Mauerfall erlebte die Drag-Kultur einen Siegeszug, der seinesgleichen sucht, sich ständig weiter entwickelt und viele Künstlerinnen und Künstler inspiriert und Mut macht.
Berühmte deutschsprachige Dragqueens
Lilo Wanders ist eine der bekanntesten Dragqueens in Deutschland und hat durch ihre Arbeit wesentlich zur Aufklärung über sexuelle Themen und zur Popularität von Dragqueens beigetragen. Berühmt wurde Lilo (bürgerlich Ernie Reinhardt) durch die Fernsehsendung "Wa(h)re Liebe", die von 1994 bis 2004 ausgestrahlt wurde.
Olivia Jones alias Oliver Knöbel ist die derzeit wohl bekannteste deutsche Dragqueen. Die Ikone macht nicht nur als Entertainerin und Betreiberin eines Nachtclubs auf der Hamburger Reeperbahn von sich reden, sondern auch als politische Aktivistin, die sich mit schillerndem Look und großem Engagement für LGBTIQ+-Rechte einsetzt.
Conchita Wurst stammt zwar aus Österreich, hat aber längst die Grenzen ins Ausland überwunden. Spätestens seit ihrem legendären Sieg beim Eurovision Song Contest 2014 mit dem Song „Rise like a Phoenix“ übt sie erheblichen Einfluss auf die europäische Drag- und LGBTIQ+-Szene aus und nutzt ihre Popularität auch, um für Akzeptanz und Toleranz zu werben. Aber Conchita hat vor allem den Musikmarkt stark beeinflusst – nicht nur als Sängerin, sondern auch als Urheberin. Unter ihrem bürgerlichen Namen Tom Neuwirth hat sie bereits eine Reihe eigener Songs geschrieben und veröffentlicht. Damit steht sie unter ihren Lip-Syncing-Kolleginnen noch ziemlich allein da. Respect!
„Kunst kostet“ – Interview mit Kris Blaq
Kris Blaq bereichert die Münchner Drag-Szene schon seit vielen Jahren und trägt seit diesem Jahr den Titel „Selige Maikönigin“, nachdem sie beim Münchner Straßenfest der queeren Community gefeiert und gekrönt wurde. Wir haben sie zum Interview getroffen.
Kris, was bedeutet „Drag“ für dich?
Zum einen stehe ich wahnsinnig gerne im Rampenlicht. Drag bietet dabei so viele Möglichkeiten, Grenzen zu sprengen und sich auszudrücken, sei es in Sachen Gender oder für die Community.
Wie würdest du deinen Stil bezeichnen, was erwartet Zuschauerinnen und Zuschauer, wenn du auf der Bühne stehst?
Eine gute Mischung aus sexy und elegant, aber ich überrasche mein Publikum auch gerne mal mit etwas Neuem – schließlich soll mir selbst auch nicht langweilig werden.
Musik ist für deine Performances ja sehr wichtig. Könntest du dir auch vorstellen, mit selbst geschriebenen Liedern aufzutreten?
Dafür bin ich selbst zu unmusikalisch, schließlich steckt eine Menge dahinter, einen eigenen Song zu komponieren oder zu schreiben. Ich habe wahnsinnig viel Respekt vor der Arbeit, die man da reinsteckt. Ab und an singe ich live oder mache Lip Sync, dabei fühle ich mich am wohlsten.
Welche Beziehungen hast du zur GEMA? Bist du schon mal mit der GEMA in Berührung gekommen?
Ja, in der Regel dann, wenn ich mir bei einem Auftritt die Frage stelle: Muss ich jetzt dafür bezahlen? Ich persönlich finde das gut, denn jede Künstlerin, jeder Künstler soll genau das erhalten, was ihr oder ihm zusteht. Die GEMA ist eine wichtige Einrichtung für Menschen, die etwas erschaffen. Kunst kostet, und um davon leben zu können, braucht es jemanden wie die GEMA, die sich darum kümmert und ein Auge drauf hat.