KI vollendete Beethovens Unvollendete

KI-generiertes Bild von Beethoven am Klavier, in seinem Rücken fliegen Noten
Bild: Adobe Stock (generiert mit KI)

Was Beethoven unvollendet lies, vollendete 2021 die Künstliche Intelligenz. Expertinnen und Experten ist es gelungen, die zehnte Sinfonie des Komponisten zu vervollständigen.

Mahler, Schubert, Bruckner, Dvořák und Beethoven haben alle eines gemeinsam: Die neunte Sinfonie sollte ihre letzte sein.  

„Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muss fort. Es sieht aus, als ob uns in der Zehnten etwas gesagt werden könnte, was wir noch nicht wissen sollen, wofür wir noch nicht reif sind. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe.“ - Arnold Schönberg, Komponist

Im Jahr 2021 wurde der Fluch der neunten Sinfonie mithilfe Künstlicher Intelligenz gebrochen. 

Hintergrund

Beethoven hatte vor seinem Tod 1827 tatsächlich bereits begonnen an seiner 10. Sinfonie zu arbeiten, fertigstellen konnte er sie aber nie. Anlässlich des 250 Geburtstags des Musikers stellte sich das Telekommunikationsunternehmen Telekom die Frage: „Wie hätte sich Beethovens 10. Sinfonie wohl angehört, wenn er die Chance gehabt hätte, sie zu vollenden?“ 

Zusammenarbeit von Mensch und Maschine

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen wurde ein Team aus Musikwissenschaftlerinnen, Komponisten und Informatikerinnen  zusammengestellt. Dieses Team entwickelte eine Künstliche Intelligenz, welche die knapp 40 Skizzen und Notizen, die Ludwig van Beethoven zu seiner 10. Sinfonie hinterlassen hat, ergänzen sollte.

Um Beethoven möglichst authentisch nachahmen zu können, musste die künstliche Intelligenz allerdings zunächst  „lernen“, wer der Mensch hinter dem Genie war, wie er gedacht hat und welche äußeren Einflüsse auf sein Schaffen eingewirkt haben.

Das Team pflegte zahlreiche Werke Beethovens und die seiner Zeitgenossinnen und Zeitgenossen in die Maschine ein. So konnte der Computer anhand von Symphonien, Klaviersonaten und ähnlichen Partituren Beethovens Stil kennenlernen und ermitteln, wie er selbst das Werk am wahrscheinlichsten weiterentwickelt hätte.

Während Künstliche Intelligenz demnach mittels algorithmischer Logik hunderte verschiedene mögliche Versionen der Sinfonie kreierte, bestand die Rolle der Spezialistinnen und Spezialisten darin, diese eher trockenen Vorschläge der KI zu einem schlüssigen und mitreißenden Fortlauf der Sinfonie zusammenzustellen. Hierfür mussten sie Sequenzen auwählen, miteinander verbinden und orchestrieren. Der Mensch musste also kurzum das einbringen, woran Künstliche Intelligenz nicht zum ersten Mal gescheitert ist: Emotionen. 

Uraufführung in Bonn

Uraufgeführt wurde die Sinfonie 2021 anlässlich des 250. Geburtstags Ludwig van Beethovens – mit leichter Verzögerung durch die Coronapandemie – in Beethovens Geburtsstadt Bonn. Auch wenn das Ergebnis durchaus imposant anzuhören ist, wird deutlich, dass künstlich nicht mit künstlerisch gleichzusetzen ist. Das Stück ist bei weitem nicht so eindrucksvoll wie Beethovens restliches Repertoire. Darum ging es beim Experiment Beethoven X aber auch gar nicht. Es ging darum, im Zusammenspiel mit Mensch und Maschine etwas Neues zu schaffen, und durch diese Symbiose zwischen Vergangenheit und Zukunft etwas Unvollständiges hörbar zu machen.

„Es ist vielleicht auch die einzige Möglichkeit, das überhaupt noch irgendwie hörbar zu verwerten, indem eine Künstliche Intelligenz das anstellt. Es ist natürlich nicht die 10. Beethovens, es ist ein Versuch mit dem Material etwas in diese Richtung zu schreiben.“ - Johannes Rapp, Violoncello Beethoven Orchester

Zitatquellen:

Arnold Schönberg: Arnold Schönberg, Rede auf Guatav Mahler, Prag, 25.03.1912
Johannes Rapp: https://www.youtube.com/watch?v=NGhIsYhBnBg

Text: Manuela Winkler