Am 9. Dezember 2015, dem ersten Tag der letzten Sitzung des GEMA-Aufsichtsrats in diesem Jahr, wurden die Pläne der Europäischen Kommission zur Modernisierung des europäischen Urheberrechts bekannt. Die Vorschläge sollen vor allem eine faire Beteiligung von Kreativschaffenden an der Wertschöpfung im Online-Bereich sicherstellen. Die GEMA begrüßt es, dass der zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger die Thematik deutlich benennt, und unterstützt die Ansätze, die in die richtige Richtung gehen, damit Urheberinnen und Urheber auch in der digitalen Welt angemessen für die Nutzung ihrer Werke vergütet werden. Des Weiteren verfolgt die Europäische Kommission das Anliegen, den grenzüberschreitenden Zugang zu kreativen Inhalten für Verbraucher im digitalen Binnenmarkt zu verbessern. Hier hat die GEMA eine Vorreiterrolle übernommen: Mit ihrer vom Aufsichtsrat beschlossenen Kooperation mit den englischen und schwedischen Verwertungsgesellschaften PRS und STIM im Rahmen von ICE, International Copyright Enterprise, beteiligt sich die GEMA bereits aktiv am Aufbau einer europäischen Lizenzierungsplattform für Musikrechte, die 2016 den Betrieb aufnehmen und die europaweite Rechteklärung für Online-Dienste maßgeblich vereinfachen wird.
Die Modernisierung des EU-Urheberrechts wird somit eines der Themen sein, die die Arbeit des Aufsichtsrats über den Jahreswechsel hinaus bestimmen, ebenso wie das neue Verwertungsgesellschaftengesetz. Zu diesem Gesetzesvorhaben, mit dem die Vorgaben der EU-Wahrnehmungsrichtlinie von 2014 in nationales Recht umgesetzt und das derzeit geltende Urheberrechtswahrnehmungsgesetz reformiert werden sollen, hat die Bundesregierung im November einen vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erarbeiteten Entwurf beschlossen. Grundsätzlich begrüßt der Aufsichtsrat dieses Gesetz, einige wichtige Punkte werden aber trotz Änderungen gegenüber dem ursprünglich vorgelegten Referentenentwurf nach wie vor als unbefriedigend und kaum praktikabel in der Umsetzung für die Binnenstruktur und den Geschäftsbetrieb der GEMA gesehen. Die GEMA wird deshalb im Gesetzgebungsprozess weiter ihre inhaltlichen Anliegen deutlich machen und – auch wenn verbindliche Vorgaben aus der EU-Richtlinie im parlamentarischen Verfahren nur bedingt Spielraum lassen – bestrebt sein, aus ihrer Sicht angebrachte Änderungen noch zu erreichen. Die Entscheidung über Anträge auf konkrete Umstellungen im Regelwerk der GEMA, die aus dem Gesetz resultieren würden, zur Vorlage in der nächsten Mitgliederversammlung hat der Aufsichtsrat daher teilweise zur weiteren Beratung zurückgestellt.
Weit fortgeschritten sind hingegen zwei Vorhaben im Verteilungsbereich, die Aufsichtsrat und Vorstand in der Mitgliederversammlung 2016 zur Abstimmung zu stellen beabsichtigen. Zum einen handelt es sich um eine rein redaktionelle Überarbeitung des Verteilungsplans, über die die Mitglieder bereits in den Berufsgruppenversammlungen im Mai dieses Jahres informiert wurden. Ausgehend von dem Gedanken, dass Verständlichkeit und strukturelle Transparenz des Verteilungsplans erhöht werden sollen, ist vorgesehen, zunächst in einem allgemeinen Teil alle Regelungen zusammenzufassen, die spartenübergreifend gelten, und dann in einem besonderen Teil die Verteilung in den einzelnen Sparten übersichtlich und zusammenhängend darzustellen.
Des Weiteren haben Aufsichtsrat und Vorstand wie angekündigt einen Reformvorschlag zur künftigen Aufteilung des Senderinkassos im Fernsehen auf die Ausschüttungsbereiche Senderecht (AR) und Vervielfältigungsrecht (VR) erarbeitet. Danach sollen künftig die jeweiligen Anteile der Fernsehprogramme an Eigen- und Auftragsproduktionen einerseits und Fremdproduktionen andererseits berücksichtigt werden. Das dafür vorgesehene Modell wurde, wie bei den großen Reformvorhaben der letzten Jahre im Verteilungsbereich, bereits in einer Sitzung einer erweiterten Verteilungsplankommission mit Teilnehmern der in der GEMA vertretenen Berufsverbände erörtert und im Rahmen einer Testverteilung auf die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen hin überprüft. Das Modell und die Resultate der Testverteilung werden nunmehr auch auf der Webseite der GEMA vorgestellt und erläutert. Zur Umsetzung des Modells ist für die Mitgliederversammlung 2016 ein Antrag von Aufsichtsrat und Vorstand auf entsprechende Änderung des Verteilungsplans vorgesehen.
Zuletzt in seiner Sitzung im Oktober hatte sich der Aufsichtsrat, bedingt durch verschiedene noch nicht rechtskräftig entschiedene Gerichtsverfahren auf nationaler und europäischer Ebene, mit der Frage der Verlegerbeteiligung an Ausschüttungen befasst. Seit dem Juni 2012 schüttet die GEMA auf verlegte Werke unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle eines negativen Ausgangs dieser Rechtsstreitigkeiten aus. Zur Absicherung solcher etwaigen Rückforderungen wurden die Verlegermitglieder aufgefordert, bis zur abschließenden Klärung der Rechtslage hierfür auf die so genannten Einreden der Verjährung und der Entreicherung zu verzichten. Wird diese Erklärung nicht abgegeben, werden die Erträge des jeweiligen Verlegers auf gesetzliche Vergütungsansprüche, z.B. Speichermedien- und Geräteabgabe, von der GEMA vorläufig einbehalten. Vorstand und Aufsichtsrat sind gehalten, die Sach- und Rechtslage vor diesem Hintergrund fortlaufend zu überprüfen und die Ausschüttungsfähigkeit der GEMA zu bewerten. Dies war erneut der Fall, nachdem der Europäische Gerichtshof im November im Verfahren über die Zulässigkeit eines belgischen Gesetzes entschieden hat, das den Verlegern neben den Urhebern einen Anteil an den Erträgen aus der Speichermedien- und Geräteabgabe zuweist. Eine solche Beteiligung der Verleger sei nicht mit EU-Recht zu vereinbaren, urteilte das Gericht, da Verleger in der Urheberrechtsrichtlinie nicht als Berechtigte des Kompensationsanspruchs für die Privatkopierfreiheit genannt würden. Dieser Anspruch steht damit nun nach europäischem Recht originär nur den Urhebern zu. Allerdings schließt das Urteil, so die Einschätzung der juristischen Berater von Vorstand und Aufsichtsrat, eine Beteiligung der Verleger auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit den Urhebern an den Ausschüttungen auf gesetzliche Vergütungsansprüche nicht aus. Die Verlegermitglieder der GEMA können sich also nach wie vor auf ihre Verlagsverträge und den Verteilungsplan der GEMA berufen, in denen die Beteiligung vereinbart wird. Nach erneuter sorgfältiger Prüfung aller relevanten Informationen und intensivem Dialog mit rechtlichen Beratern sieht der Aufsichtsrat daher durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs keine Veränderung der Sach- und Rechtslage, die Auswirkungen auf die Ausschüttungsfähigkeit und praxis der GEMA hätte.
Laufend zu hinterfragen und zu prüfen haben Vorstand und Aufsichtsrat auch die organisatorischen Strukturen in der GEMA, damit sie in einem sich immer wieder verändernden Umfeld langfristig leistungs- und handlungsfähig bleiben kann. Daher hatte der Aufsichtsrat den Vorstand um Prüfung von Optimierungsmöglichkeiten des Außendienstes gebeten. Auf der Grundlage einer entsprechenden Planung, deren Ergebnisse vom Vorstand in der Sitzung vorgestellt wurden, kam auch der Aufsichtsrat zu der Auffassung, dass Änderungen der bisherigen Organisationsstruktur des Außendienstes, eine Zentralisierung von Aufgabenbereichen und Zuständigkeiten sowie eine Reduzierung der Anzahl der derzeit sieben Bezirksdirektionen geeignete Maßnahmen darstellen, um die Leistungsfähigkeit des Außendienstes weiter zu optimieren. Dabei hat die umfassende Prüfung der Standorte, losgelöst von standortpolitischen Aspekten, zu der Entscheidung geführt, die Bezirksdirektion in Dortmund zum Ende des kommenden Jahres zu schließen. Aufsichtsrat und Vorstand haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht und intensiv darüber diskutiert, sind aber überzeugt, dass dieser Beschluss aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen, des Wandels in der Branche sowie eines hohen Kostendrucks in der Gesamtabwägung erforderlich ist, auch bei der aktuell wirtschaftlich guten Lage der GEMA.
Für das laufende Geschäftsjahr kann von Erträgen in Höhe von insgesamt rund 880 Millionen Euro ausgegangen werden, deutlich mehr als zu erwarten war und fast an das Ergebnis im bisher ertragsstärksten Geschäftsjahr 2014 heranreichend, als Erträge von 893,6 Millionen Euro verzeichnet wurden. Zu dieser Prognose – der Abschluss wird dem Aufsichtsrat zu seiner nächsten Sitzung Anfang März 2016 vorliegen – haben alle Inkassobereiche beigetragen, teilweise allerdings resultierend aus Einmaleffekten. 2016 könnte bei den Erträgen erstmals die Marke von 900 Millionen Euro überschritten werden, wie die dem Aufsichtsrat vorgelegte Planung zeigte. Dabei wird im regulären Geschäftsbetrieb eine insgesamt stabile Entwicklung erwartet. Dass dies auch für den Online-Bereich gilt und hier nicht mit einer deutlichen Steigerung zu rechnen ist, nahm der Aufsichtsrat mit Unbehagen zur Kenntnis, sieht man doch in diesem Bereich die Vergütung für die Musikautoren nach wie vor weit von dem entfernt, was für die Nutzung ihrer Werke angemessen wäre. Das Gesamtergebnis im kommenden Jahr ist auch abhängig davon, wann die ZPÜ, ein Zusammenschluss der deutschen Verwertungsgesellschaften, ein zusätzlich zu erwartendes Aufkommen an ihre Mitgliedsgesellschaften ausschütten kann. Nach der gerade kürzlich mit dem Verband der digitalen Wirtschaft Bitkom erreichten Einigung über die Vergütungshöhe für Vervielfältigungen auf Mobiltelefonen und Tablets werden die entsprechenden Zahlungen für die GEMA und ihre Mitglieder ebenfalls Erträge in erheblicher Höhe bringen – möglicherweise bereits 2016. Angesichts dieses positiven Ausblicks konnte der Aufsichtsrat das Budget für das kommende Jahr insgesamt zuversichtlich gestimmt annehmen.
GEMA Aufsichtsrat: Bericht über die Sitzung am 9./10. Dezember 2015
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