Ein Thema bestimmte die letzte Sitzung des GEMA-Aufsichtsrats im Jahr 2016: Das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 14. November 2016, wonach die GEMA nicht berechtigt ist, den beteiligten Musikverlagen die Verlegeranteile an den Ausschüttungen auf Nutzungsrechte und gesetzliche Vergütungsansprüche nach dem Verteilungsplan der GEMA auszuzahlen. Aufsichtsrat, Vorstand und ihre Rechtsberater befassten sich in intensiven Diskussionen detailliert mit dem Urteil und seiner Begründung. Auswirkungen auf die Struktur der GEMA und ihr Kuriensystem werden nicht gesehen, erheblich sind jedoch die unmittelbaren Konsequenzen des Urteils für die Ausschüttungspraxis der GEMA an ihre Mitglieder. Eine Verlegerbeteiligung in der GEMA ist zwar weiterhin möglich, sie bedarf aber angesichts des Urteils einstweilen einer geänderten Grundlage. Daher wurde ein Konzept für eine Lösung erarbeitet und beschlossen, die eine rechtssichere Fortsetzung der Verlegerbeteiligung ermöglichen wird. Dies erfordert das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, insbesondere sollten die Verleger auch von ihnen signierte Bestätigungserklärungen ihrer Urheber einholen, dass eine Beteiligung der Verleger an Ausschüttungen auf Nutzungsrechte und gesetzliche Vergütungsansprüche für die Vergangenheit und Zukunft dem Willen beider Parteien entspricht. Die GEMA soll daran anschließend die Verlegerbeteiligung sowohl für die Ausschüttungen seit Juli 2012 als auch für die Zukunft im Rahmen eines elektronischen Bestätigungsverfahrens individuell bei den Verlegern unter Vorlage der erforderlichen Dokumente abfragen. Infolgedessen kann die Ausschüttung zum 1. Januar 2017 nur für Urheber und ausländische Verwertungsgesellschaften, die von dem Urteil nicht betroffen sind, planmäßig stattfinden, Verlage können aber prozentuale Abschlagszahlungen erhalten. Der Aufsichtsrat beschloss weiter, dass die für den 1. April und für den 1. Juli 2017 vorgesehenen Ausschüttungen sich infolge der Durchführung des Bestätigungsverfahrens und des damit verbundenen personellen und technischen Aufwands für alle Berechtigten um zwei Monate nach hinten verschieben. Im Rahmen der Ausschüttung zum 1. Juli 2017 soll auch die für Verleger ausgefallene Ausschüttung vom 1. Januar 2017 auf der Basis der Ergebnisse des elektronischen Bestätigungsverfahrens erfolgen. Die Autorenvertreter im Aufsichtsrat haben dem – nicht ohne Bedenken – zugestimmt unter der Voraussetzung, dass auch Urheber, ebenso wie Verlage, bei wirtschaftlichen Härten, die ihnen durch diese Verschiebungen entstehen, auf Antrag Vorauszahlungen erhalten können. Ob es zu weiteren Verschiebungen von Zahlungsterminen kommt, wird der Aufsichtsrat noch beschließen. Über eine mögliche Rückabwicklung der seit 2012 geleisteten Ausschüttungen an Verleger wird die Mitgliederversammlung nach Rechtskraft des Urteils und Abschluss des Genehmigungsverfahrens zu entscheiden haben, ebenso über eventuell notwendige Änderungen des Verteilungsplans.
Alle Mitglieder des Aufsichtsrats, gerade die Autorenvertreter haben sich die Entscheidungen, die Konsequenzen für jedes einzelne Mitglied mit sich bringen, nicht leicht gemacht. Sie sind sich aber darüber einig, dass es die durch das Urteil entstandene Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die gemeinsame Beteiligung von Autoren und Verlegern gemeinsam zu bewältigen gilt. Neben den Maßnahmen seitens der GEMA, die den Mitgliedern im Einzelnen kommuniziert werden, sah der Aufsichtsrat die dringende Notwendigkeit, die Verlegerbeteiligung kurzfristig gesetzlich zu regeln – was zwischenzeitlich geschehen ist –, so dass jedenfalls für die Zukunft von dieser Seite ebenfalls Rechtssicherheit besteht.
Die Aktivitäten, die aufgrund der skizzierten Schritte erforderlich werden, können nicht ohne Auswirkungen auf andere Projekte und damit auch auf das Budget der GEMA für das kommende Jahr bleiben. Daher lag dem Aufsichtsrat, anders als sonst im Dezember, zunächst nur eine vorläufige Planung vor. Bis zu den Sitzungen im Frühjahr kommenden Jahres wird die Kosten- und Zeitplanung an die veränderten Gegebenheiten angepasst. Dann werden auch die Abschlusszahlen über das laufende Geschäftsjahr 2016 vorliegen. Schon jetzt lässt sich sagen, dass von deutlich höheren Erträgen als prognostiziert auszugehen ist und die GEMA erstmals die Marke von einer Milliarde Euro übertreffen könnte. Dies ist zum einen darin begründet, dass die ZPÜ, ein Zusammenschluss der deutschen Verwertungsgesellschaften, beschlossen hat, an ihre Mitgliedsgesellschaften, also auch an die GEMA, noch in diesem Jahr einen Teil der Einnahmen weiterzuleiten, die sie als Vergütung für Vervielfältigungen auf Smartphones, Tablets und PCs rückwirkend ab dem Jahr 2012 erhalten hat. Zum anderen hat YouTube nach Abschluss eines neuen Lizenzvertrags vor wenigen Wochen Vergütungen in erheblicher Höhe nachgezahlt, da dieser Vertrag auch die Jahre ab 2009 umfasst.
Der Aufsichtsrat konnte feststellen, dass der nach langwierigen Verhandlungen erreichte Vertragsabschluss mit YouTube, für den er sich in seiner Oktobersitzung nach intensiver Diskussion und ausgiebiger Abwägung entschieden hatte, nicht nur unter den Mitgliedern, sondern auch in Politik, Medien und Öffentlichkeit auf enorme Resonanz gestoßen und ganz überwiegend positiv aufgenommen worden ist. Für die Ausschüttung der bei YouTube inkassierten Gelder sind eine Reihe von Einzelfragen zu klären. Den Erwartungen der Mitglieder in dieser Hinsicht entsprechend ist eine kontinuierliche Information über den Stand der Überlegungen vorgesehen. Zur nächsten Mitgliederversammlung sollen ein Zeitplan für das Vorgehen bei der Verteilung dieser Einnahmen und, sofern erforderlich, Vorschläge für Regelwerks-Anpassungen vorbereitet werden.
Bereits in dieser Sitzung konkret besprochen werden konnten eine Reihe von Änderungsanträgen des Verteilungsplans zu anderen Sachverhalten, die Aufsichtsrat und Vorstand der kommenden Mitgliederversammlung vorlegen wollen. Eine grundsätzliche Aufgabe sieht der Aufsichtsrat, wie bereits berichtet, nach den Verteilungsreformen im Live-U-Bereich (INKA) und den Rundfunksparten nunmehr auch in einer Reform der Verteilung für E-Musik-Veranstaltungen (Sparte E). Hierbei sollen die Besonderheiten der Veranstaltungspraxis für Ernste Musik berücksichtigt werden. Ziel ist ein stärkerer Inkassobezug bei gleichzeitiger Wahrung und Weiterentwicklung des Prinzips der kulturellen Förderung. In einem ersten Schritt für eine Neuordnung der E-Verteilung soll zwischen Aufführungen im Bereich der Pauschallizenzverträge und sonstigen Aufführungen Ernster Musik differenziert werden, begleitet durch Maßnahmen zur kulturellen Förderung. Beabsichtigt ist, einen entsprechenden Regelungsvorschlag in der Mitgliederversammlung 2017 zur Abstimmung zu stellen, die Neuregelung könnte ab Geschäftsjahr 2018 in Kraft treten. Bereits im Vorfeld sollen die Mitglieder, auch unter Einbeziehung der betroffenen Berufsverbände, über Einzelheiten des Reformvorhabens informiert werden.
Der Aufsichtsrat befasste sich ebenfalls mit den Informationen, die im Vorfeld der Mitgliederversammlung in „virtuos“ und auf der GEMA-Website zum Nutzerverhalten im Online-Bereich veröffentlicht werden sollen. Damit wird angeknüpft an den Beschluss der Mitgliederversammlung 2015 zu Verteilungsregelungen für Musiknutzungen im Online-Bereich, der verbunden war mit dem Auftrag, das Verhalten der Nutzer fortlaufend zu beobachten. Im Fokus steht dabei insbesondere der Anstieg der Streaming- zugunsten der Download-Erträge. Im Rahmen der kommenden Mitgliederversammlung werden erweiterte Informationen unter Berücksichtigung des dann abgeschlossenen Geschäftsjahres 2016 zur Verfügung gestellt, wobei auch Meinungsäußerungen von Mitgliedern zu dieser Thematik einfließen sollen.
Zudem hat der Aufsichtsrat einen Bericht über die Entwicklung der Rundfunkverteilung seit dem Geschäftsjahr 2013 verabschiedet, wie er in Zusammenhang mit der Neuregelung der Rundfunkverteilung von der Mitgliederversammlung 2014 beauftragt worden war. Der Bericht, der nunmehr auf der GEMA-Website veröffentlicht wird, dient zugleich der Vorbereitung der Mitgliederversammlung 2017: Hier werden die Mitglieder gemäß ihrem Beschluss von 2014 darüber abzustimmen haben, ob die Verteilungsregeln im Rundfunkbereich noch einmal überarbeitet werden sollen.
Der Beschluss zur Reform der Rundfunkverteilung von 2014 beinhaltet einen Härteausgleich für Berechtigte, für die sich durch die Neuregelung hohe Verluste ergeben haben. Diese Ausgleichsregelung sollte mit der Ausschüttung zum 1.1.2017 für das Geschäftsjahr 2015 letztmalig zur Anwendung kommen. Da eine konkrete Berechnung des Härteausgleichs in Anbetracht der aktuellen Fragen in Zusammenhang mit der Verlegerbeteiligung derzeit aber nicht möglich ist, ohne aufwändige spätere Rück- und Nachverrechnungen dieses Ausgleichs nach sich zu ziehen, hat der Aufsichtsrat entschieden, diesen Härteausgleich zu einem möglichst zeitnahen späteren Zeitpunkt auszuschütten.
Eine Reihe von Änderungsvorschlägen in anderen Teilen des GEMA-Regelwerks – Satzung, Berechtigungsvertrag, Geschäftsordnungen –, die Aufsichtsrat und Vorstand zur kommenden Mitgliederversammlung vorzulegen planen, wurden in der Sitzung des Aufsichtsrats ebenfalls verabschiedet, vorbereitet an den Vortagen in seinen Gremien wie Satzungskommission, Verteilungsplankommission und mehreren Arbeitsgruppen. Darunter sind Vorschläge, die die Gestaltung des ehrenamtlichen Engagements in der GEMA betreffen, so für eine Stärkung des Anteils von Frauen in Gremien, die Einführung einer Altersgrenze für die Gremienmitgliedschaft oder die Hinzuziehung von externen Sachverständigen bei der Gremienarbeit. Angeregt worden war die Diskussion über strukturelle Fragen der ehrenamtlichen Tätigkeit in der GEMA durch Ergebnisse der 2014 durchgeführten Mitgliederumfrage.
Trotz der Vielzahl und Bedeutung der aktuell anstehenden Themen: Ausführlich befasste sich der Aufsichtsrat auch mit dem Compliance Management-System der GEMA, gehört doch die Einrichtung und Überprüfung der Funktion eines solchen Systems zur Gesamtverantwortung der Leitungsorgane von Institutionen. Dies gilt auch für die GEMA, bei allen Besonderheiten, die sie von Unternehmen und anderen Einrichtungen unterscheidet. Das Verständnis und die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben und internen Regeln, in denen sich die Ziele und Werte der GEMA widerspiegeln, sind selbstverständliche Voraussetzung für das verantwortungsvolle Handeln ihrer Mitarbeiter. Dem Aufsichtsrat obliegt die Überwachung und Vergewisserungspflicht hinsichtlich der Compliance-Organisation innerhalb der GEMA. Da er dies als fortlaufenden Prozess und kontinuierliche Aufgabe versteht, wird sich der Aufsichtsrat weiterhin regelmäßig mit der Thematik befassen, möglicherweise bereits in seiner nächsten Sitzung im Frühjahr 2017. Schwerpunktthema wird dort aber, neben dem dann vorliegenden Jahresabschluss 2016 und der aktualisierten Budgetplanung für 2017, die weitere Vorbereitung der kommenden Mitgliederversammlung vom 22. bis 24. Mai 2017 in München sein, und auch mit Fragen der Verlegerbeteiligung wird sich der Aufsichtsrat weiter zu befassen haben.
GEMA Aufsichtsrat: Bericht über die Sitzung am 7./8. Dezember 2016
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