In Europa soll mit der Eröffnung von sechs neuen KI-Zentren des „Gemeinsamen Unternehmens für europäisches Hochleistungsrechnen“ (EuroHPC) ein zusammenhängendes europäisches Netz für KI-Innovationen entstehen, um die Vorreiterrolle der EU im Bereich der künstlichen Intelligenz fortzuführen. Auch zwei neue Standorte in Deutschland und eine Fabrik in Österreich werden zentrale Anlaufstellen für Start-ups, KMU und Forscherinnen und Forscher sein. So faszinierend und nützlich die generativen Anwendungen sein können, dürfen uns die Entwicklungen nicht überholen.
Die Europäische Union hat mit dem weltweit ersten umfassenden KI-Akt einen wichtigen Meilenstein gesetzt und gezeigt, wir brauchen Regeln für die Wahrung unserer Grundrechte, ethischer Aspekte und das Urheberrecht all jener Menschen mit deren Werken die Big Tech Unternehmen ihre Systeme füttern und lernen lassen. Der Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz trat im August in Kraft und bringt Sicherheit und Transparenz in einen Bereich des digitalen Raums, in dem vielerorts noch unregulierte Wild West Stimmung herrscht.
Strenge Regeln schützen vorm gläsernen Menschen
Die Abwägung von Risiko und Nutzen war bei der Erstellung des KI-Akts entscheidend. Je höher das Risiko der KI-Anwendungen, desto strenger sind die Anforderungen. Einige Anwendungen sind in der Europäischen Union gänzlich verboten. Etwa sprachgesteuertes Spielzeug, das gefährliches Verhalten bei Kindern fördert. Ebenso darf Künstliche Intelligenz nicht für soziales Scoring eingesetzt werden, was die Klassifizierung von Menschen auf der Grundlage von Verhalten, sozioökonomischem Status und persönlichen Merkmalen beschreibt. Verboten ist außerdem die biometrische Identifizierung und Kategorisierung von Personen und auch die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Das alles dient dem Schutz unserer Grund- und Menschenrechte. Im Großen und Ganzen schafft das europäische KI-Gesetz die Balance zwischen der Förderung neuer Technologien, von denen wir alle in Zukunft noch profitieren können und dem Schutz vor gefährlichen Entwicklungen.
Schwachstellen beim Urheberrecht
Allerdings gibt es Schwachstellen im KI-Akt. Beispielsweise hat der US-Konzern Meta offenbar Raubkopien von Büchern und wissenschaftlichen Arbeiten zum Training seines KI-Modells genutzt. Ich schließe mich der Kritik der GEMA und vieler Künstler:innen an, dass in Sachen Schutz des Urheberrechts in Verbindung mit KI-Anwendungen nachgebessert werden muss. Grundsätzlich sind wichtige Regelungen und Transparenzanforderungen enthalten. Etwa dass Unternehmen, wie Open AI, das den Chatbot ChatGPT betreibt, dokumentieren und veröffentlichen müssen, mit welchen Inhalten sie ihre KI-Systeme trainieren. Das soll Musiker:innen, Autor:innen und andere Kreative schützen und ihnen die Möglichkeit geben die Verwendung ihrer Werke zu untersagen oder eine entsprechende finanzielle Vergütung für die Nutzung einzufordern.
Schlupfloch für Medienkonzerne
Eine große Lücke zum Schutz der Künstler:innen tut sich im Urheberrechtsgesetz von 2019 auf, das entwickelt wurde als KI-Systeme noch in den Kinderschuhen steckten. Eine Ausnahme für Text- und Data-Mining wurde damals eingesetzt um die begrenzte private Nutzung, beispielsweise für das Kopieren von Texten an Schulen zu gestatten. Doch aktuell wird dieses Schlupfloch von den größten Tech-Unternehmen der Welt ausgenutzt, um kostenlos Zugang zu enormen Mengen geistigen Eigentums zu erhalten. Wir sind also gefordert die KI-Regeln laufend an die technischen Entwicklungen und Realitäten anzupassen und Mängel in der existierenden Gesetzgebung zu schließen - nur so kann die EU ihrer Vorreiterrolle langfristig gerecht werden.
Problemkind Musik-Streaming
Ich merke allerdings, dass in der Politik scheinbar das Bewusstsein für die Bedeutung des Kultur- und Kreativsektors für unser Zusammenleben, aber auch als Wirtschaftsfaktor fehlt. Die Rechte unserer kreativen Gemeinschaften und der Wert ihrer kulturellen Werke werden nicht ausreichend geschützt. Mit der Resolution zum Musikstreaming hat das Europaparlament im Vorjahr ein klares Zeichen für den Schutz der Komponist:innen gesetzt, die trotz Milliardengewinnen der Streaming-Plattformen durch Buy-out-Verträge, mit einmaligen Zahlungen abgespeist werden oder nur wenige Cent erhalten. Der Ball die gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen liegt nach dem Beschluss des Europäischen Parlaments bei der Europäischen Kommission.
Änderungen frühestens 2026?
Ich werde mich im Ausschuss für Kultur und Bildung und im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten weiter dafür einsetzen, dass der KI-Akt ein Update erhält. Aktuell hat die Kommission ihre Pläne die Richtlinie dieses Jahr noch einmal auf den Verhandlungstisch zu bringen allerdings zurückgezogen und erklärte, sie werde prüfen, ob ein anderer Vorschlag vorgelegt werden kann. Das ist für alle Betroffenen natürlich keine zufriedenstellende Antwort, denn inzwischen gehen die Urheberrechtsverletzungen ungebremst weiter. Ab 2026 beginnt dann erstmals die Evaluierung der Richtlinie. Spätestens in diesem Zuge wird überprüft werden müssen, ob sich die urheberrechtlichen Regelungen bewährt haben.
Was der KI-Akt 2.0 können muss
Ich fordere ein Update des KI-Akts, dass die europäische Kreativwirtschaft besser schützt, für faire Bezahlungssysteme sorgt und Vielfalt fördert. Gleichzeitig müssen KI-Unternehmen transparent arbeiten und sollten nicht nur verpflichtet werden sogenannte Deepfakes zu kennzeichnen, sondern auch KI-generierte Musik und Texte – zum Schutz des Urheberrechts und um Qualität im Journalismus, Wissenschaft und Kulturbereich hochzuhalten.
Kurz-Bio:
Hannes Heide, geboren 1966 in Bad Ischl, ist Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Zuvor war er Bürgermeister von Bad Ischl und in der PR- und Kulturszene tätig, unter anderem als Tournee-Manager für Hubert von Goisern. In Brüssel arbeitet er in den Ausschüssen für Regionalentwicklung, Kultur und Bildung sowie für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Außerdem engagiert er sich in drei Delegationen für die europäischen Verbindungen zu Afrika und den karibischen Staaten.