CISAC Studie zu den Auswirkungen der Nutzung von künstlicher Intelligenz: Interview mit Michael Duderstädt

Fotocredit: Sebastian Semmer

Die CISAC, der internationale Dachverband der Verwertungsgesellschaften, hat eine Studie zu den Auswirkungen der Nutzung von künstlicher Intelligenz im Musik- und AV-Sektor in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind keine gute Nachricht für die Urheberinnen und Urheber.

MD: Ja, wir nehmen die Ergebnisse der Studie sehr ernst. Die CISAC hat PMP Strategy beauftragt, die wirtschaftlichen Auswirkungen von generativer künstlicher Intelligenz auf den Musik- und audiovisuellen Sektor weltweit zu analysieren: Demnach wächst der Markt für KI-generierte Inhalte exponentiell, und die Einnahmen der Technologieanbieter werden in den nächsten fünf Jahren von derzeit rund 0,3 Milliarden Euro auf 9 Milliarden Euro steigen. Gleichzeitig sind die Einkünfte der Urheberinnen und Urheber erheblich gefährdet, da der KI-Output ihre Werke teilweise ersetzt.

Was bedeutet das konkret?

MD: Im Musikbereich werden laut der Studie die Märkte für Streaming und Musikbibliotheken stark betroffen sein. Bis 2028 wird KI-generierte Musik voraussichtlich rund 20 Prozent der Einnahmen traditioneller Musik-Streaming-Plattformen und rund 60 Prozent der Einnahmen von Musikbibliotheken ausmachen. Für Musikurheberinnen und -urheber prognostiziert PMP Strategy wirtschaftliche Einbußen von 24 Prozent im Jahr 2028 – und das, obwohl ihre Werke die Grundlage für die KI-Modelle und -Systeme bilden, für die sie bisher aber keine Vergütung erhalten haben.
 

CISAC-Präsident und ABBA-Musiker Björn Ulvaeus sieht bei der Nutzung von KI einerseits „neue und aufregende Möglichkeiten“, betont jedoch gleichzeitig, dass „den Urhebern, ihren Karrieren und ihren Lebensgrundlagen großer Schaden zugefügt“ werden könnte. Worin besteht nun die Aufgabe der Verwertungsgesellschaften?

MD: Verwertungsgesellschaften stehen vor der Herausforderung, die Chancen und Risiken der Entwicklung und Nutzung von KI im Sinne der Musikschaffenden auszubalancieren. Die Hauptaufgaben umfassen:

  1. Urheberrecht und Vergütung: Sicherstellen, dass Musikschaffende auch im Umfeld von generativer KI für die Nutzung ihrer Werke angemessen vergütet werden.
  2. Regulierung und Politik: Einsatz für faire Rahmenbedingungen bei der Nutzung von generativer KI.
  3. Information und Aufklärung: Umfassende Information über die Chancen und Auswirkungen von generativer KI auf kreatives Schaffen.
  4. Innovation und Anpassung: Entwicklung von Lizenzierungsstrategien, die den veränderten Marktbedingungen gerecht werden.
     

Vor diesem Hintergrund sind auch einige der Aktivitäten der GEMA in den letzten Monaten zu sehen: Die Vorstellung des KI-Lizenzmodells, die Veröffentlichung der 10 Prinzipien für einen digitalen Humanismus in der KI-Charta und auch die KI-Klage. Diese Maßnahmen sollen neben der rechtlichen Klarheit u.a. über den Umgang mit dem Training der KI-Modelle mit urheberrechtlich geschützten Werken auch sicherstellen, dass Musikschaffende perspektivisch fair an der Wertschöpfung und den Erlösen beteiligt werden, die durch die Nutzung ihrer Werke im Umfeld von generativer KI insgesamt entstehen.

Darüber hinaus setzt sich die GEMA gemeinsam mit den Dachverbänden GESAC und CISAC sowie mit weiteren Branchenverbänden auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene politisch für die Interessen ihrer Mitglieder ein. Auch GEMA Mitglieder melden sich zu diesem wichtigen Thema verstärkt zu Wort, zum Beispiel in der kürzlich gestarteten Interviewreihe „KI und Musik“. Den Auftakt machte Prof. Moritz Eggert, Präsident des Deutschen Komponist:innenverbandes.
 

Anfang des Jahres hat die GEMA gemeinsam mit der SACEM eine Studie zu den Auswirkungen generativer KI auf die Musikbranche in Deutschland und Frankreich veröffentlicht. Sieht die GEMA ihre Ergebnisse durch die neue CISAC Studie bestätigt?

MD: Ja, die CISAC-Studie bestätigt die Ergebnisse der Studie „KI und Musik“, die die GEMA und ihre französische Schwestergesellschaft SACEM Anfang des Jahres für Deutschland und Frankreich in Auftrag gegeben haben. Beide Studien zeigen, dass die Urheberinnen und Urheber in fünf Jahren etwa ein Viertel ihrer Einnahmen verlieren könnten, wenn der bestehende KI-Regulierungsrahmen ins Leere läuft oder keine ergänzenden Regelungen eingeführt werden. Wichtig ist, dass die Urheberinnen und Urheber über Lizenzvereinbarungen fair an den Erlösen der KI-Anbieter beteiligt werden, während technologischer Fortschritt ebenso möglich ist. Aus Sicht der GEMA ist das kein Widerspruch. Die beiden KI-Studien bieten hilfreiche und faktenbasierte Informationen, um die Situation der Musikschaffenden zu verdeutlichen und an Lösungsansätzen zu arbeiten, damit menschliche Kreativität und kulturelle Vielfalt weiterhin eine Perspektive haben.

 

Michael Duderstädt ist seit Dezember 2024 Standortleiter Berlin der GEMA und seit Juli 2013 Direktor Politische Kommunikation. In seiner Funktion verantwortet er den Berliner Standort der GEMA sowie die politischen Verbindungsbüros in Berlin und Brüssel. Er hat außerdem den Podcast „HITSINGLE – Der GEMA Podcast“ initiiert und moderiert, der alle zwei Wochen – inzwischen moderiert von Tobias Reitz – veröffentlicht wird.