Wie in der Vergangenheit berichtet der Aufsichtsrat wieder überblicksartig über die thematischen Schwerpunkte seiner Sitzungen des Vorjahres. Das Sitzungsjahr 2023 war das letzte vollständige Jahr der laufenden Amtsperiode des Aufsichtsrats. In der Mitgliederversammlung 2024 erfolgen Neuwahlen. Details zu einigen in diesem Bericht dargestellten Themen, aber auch zu einer Reihe weiterer vom Aufsichtsrat und seinen Gremien behandelter Schwerpunkte finden sich auf der Website der GEMA und in den veröffentlichten Publikationen. Sämtliche Sitzungen, die als Präsenzsitzungen geplant waren, konnten im vergangenen Jahr erstmals seit der Coronapandemie wieder komplett als solche stattfinden.
CEO-Suche
Nachdem Herr Dr. Heker angekündigt hatte, im Jahr 2023 in den Ruhestand zu gehen, hat sich der Aufsichtsrat bereits 2022 intensiv mit der Suche nach einer Nachfolge befasst und hierfür eine Findungskommission eingerichtet. Weiter wurde eine Personalberatung damit beauftragt, die Kommission bei der Suche nach einem neuen CEO zu begleiten. Die Personalberatung führte Einzelinterviews mit den Aufsichtsratsmitgliedern, um aus den in den Gesprächen genannten Anforderungen ein entsprechendes Profil zu erstellen. Nach intensiver Suche – intern wie extern wurde zunächst eine „longlist“ mit potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten erstellt. Die nach weiteren Gesprächen noch zur Auswahl verbliebenen drei Kandidaten der „shortlist“ haben sich in der Aufsichtsratssitzung im März 2023 einzeln dem Aufsichtsrat vorgestellt. Ende März 2023 fand eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung im digitalen Format statt, in der über die Besetzung der CEO-Position der GEMA zum 01. Oktober 2023 diskutiert und beschlossen wurde. Der Aufsichtsrat wählte Tobias Holzmüller zum neuen CEO. Diese Entscheidung wurde Ende Juni 2023 veröffentlicht.
SoundAware
Die GEMA hat sich in der Vergangenheit prioritär mit der Thematik der Musikerkennungstechnologie („Music Recognition Technology“, MRT) als einem Element der Langfriststrategie befasst und früh beschlossen, diese Schlüsseltechnologie und -kompetenz der automatisierten Erfassung und Erkennung von Musiknutzungen zu internalisieren und ein am Markt bestehendes Unternehmen mit entsprechender Kernkompetenz zu erwerben. In einem nächsten Schritt wurde mit Unterstützung einer Unternehmensberatung der Markt der bestehenden MRT-Anbieter analysiert und eine „Longlist“ mit potenziell interessanten Unternehmen erstellt, von der nach entsprechender Detailanalyse sechs Unternehmen auf der „Shortlist“ verblieben sind.
Nach einem ausführlichen Bericht über den favorisierten Anbieter von Musikerkennungstechnologie SoundAware Group (Hilversum, NL) in der Strategiesitzung des Aufsichtsrats im Juni 2022 hat das Gremium mit Blick auf die strategische Bedeutung des Unternehmenskaufs die GEMA mit der Due Dilligence und der Verhandlung eines Kaufvertrags beauftragt. Nach erfolgreicher Durchführung beschloss der Aufsichtsrat in seiner Sitzung im März 2023 den Teilkauf der SoundAware Group unter gewissen Voraussetzungen. In der Strategiesitzung im Juni 2023 wurde erneut über den aktuellen Status berichtet. Die Verträge zwischen der GEMA und der SoundAware Group standen zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor Abschluss. Hr. de Groot, CEO der SoundAware Group, stellte sich dem Aufsichtsrat in der Strategiesitzung persönlich vor. Der Vertragsabschluss zum Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der SoundAware Group erfolgte am 03. Juli 2023. Im September 2023 erhielt SoundAware den Zuschlag als Monitoring-Dienstleister für die Öffentlich-Rechtlichen Sender. Aktuell befassen sich GEMA und SoundAware intensiv mit dem Onboarding bei den Sendern sowie mit der Integration der SoundAware Group in die GEMA Gruppe.
Künstliche Intelligenz & Streaming
In nahezu allen Aufsichtsratssitzungen wurden die Themenkomplexe Künstliche Intelligenz und Streaming behandelt, in der Strategiesitzung Juni 2023 lag ein Schwerpunkt hierauf.
Prof. Armin Nassehi von der LMU München war als Gastredner auf der Strategiesitzung und beleuchtete die Thematik der generativen Künstlichen Intelligenz aus soziologischer Sicht. Unter anderem wurde die Frage erörtert, wem juristisch die künstlerisch schöpferische Tätigkeit zuzurechnen ist, wer also als Autor gilt. Es wurde weiter über Chancen und Risiken, Anwendungsbeispiele, die Entwicklung der Generativen KI in der Musikwirtschaft und sich für die GEMA ergebende Handlungsfelder auf rechtlicher und politischer Ebene diskutiert. Auch hat sich der Aufsichtsrat mit der Frage der Positionierung der GEMA in diesem Zusammenhang befasst. Die besondere Bedeutung der Politik zur juristischen Regulierung wurde herausgearbeitet, mögliche Maßnahmen wie eine Kennzeichnungspflicht, ein Vergütungsanspruch oder eine Lizenzierungspflicht wurden erörtert. Einigkeit bestand dahingehend, dass der Themenkomplex der Künstlichen Intelligenz weiter sehr präsent in der Öffentlichkeit platziert werden muss, um Transparenz und eine faire Vergütung für die Kreativen zu erreichen.
Die GEMA hatte gemeinsam mit der französischen Verwertungsgesellschaft SACEM die weltweit erste umfassende Studie über die Auswirkungen generativer Künstlicher Intelligenz auf die Musik- und Kreativbranche bei der Forschungsgruppe Goldmedia in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse am 30. Januar 2024 in Berlin vorgestellt wurden. Antworten von mehr als 15.000 Urheberinnen, Urhebern und Verlagen, die Mitglied bei der GEMA oder SACEM sind, gingen in die Studienergebnisse ein. Auf europäischer Ebene ist es nach umfangreichen Verhandlungen gelungen, mit dem AI Act (KI-Grundverordnung) Transparenzpflichten für KI-Anbieter zu verabschieden. Die einstimmige Billigung über die Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz erfolgte am 02. Februar 2024. Die EU wird somit das weltweit erste umfassende Regelwerk zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz verabschieden.
Weitere Studien und rechtliche Kurzgutachten zum Themenkomplex Künstliche Intelligenz und Urheberrecht wurden seitens der GEMA bzw. anderen Verwertungsgesellschaften beauftragt und Positionspapiere erstellt. Mit der US executive order und der Bletcheley declaration sind weitere Vorstöße auf internationaler Ebene erfolgt. Es besteht Einigkeit dahingehend, dass für den Schutz der kreativen Leistung der Urheberinnen und Urheber noch viel getan werden muss und dass der Aufsichtsrat sich hier weiterhin intensiv einbringen wird.
Darüber hinaus haben sich GEMA und Aufsichtsrat in der jüngsten Vergangenheit intensiv mit der Thematik des Streamings beschäftigt und sich unermüdlich für Fairness, Transparenz und Vielfalt in diesem Markt eingesetzt.
Besonders erwähnenswert ist hier die Initiative des Europäischen Parlaments mit Blick auf Herausforderungen und Ungleichgewichte auf dem europäischen Streamingmarkt. Die Europaabgeordneten schlagen hier konkrete Lösungsansätze auf EU-Ebene vor, um den Status der Urheberinnen und Urheber zu verbessern. Das Europäische Parlament hat mit dieser Resolution ein klares Signal gesetzt. Im nächsten Schritt wird die Europäische Kommission seitens der Europaabgeordneten dazu aufgefordert, Legislativvorschläge zur Transparenz von Algorithmen sowie zur besseren Auffindbarkeit europäischer Musikstücke zu verabschieden. Ein strukturierter Dialog mit allen Beteiligten auf EU-Ebene soll eine vertiefte Diskussion über die identifizierten Herausforderungen im Musikstreaming-Markt ermöglichen.
Die GEMA nimmt eine klare Haltung zur Einführung neuer Abrechnungsmodelle im Bereich des Musikstreamings ein. So gibt es aktuell den Vorstoß einzelner Streaming-Portale, nach dem „Artist Centric Payment Modell“ abzurechnen, welches für eine Auszahlung etwa eine Mindestanzahl von monatlichen Streams erfordert. Die GEMA ist der Überzeugung, dass neue Modelle nicht im Alleingang durchgesetzt werden dürfen, sondern nur im Dialog mit allen Beteiligten.
Von großer Präsenz ist auch das Thema der Buyout Verträge und die Entwicklungen in diesem Zusammenhang. Hier gilt es zu verhindern, dass durch Verträge europäische Urheberrechtsstandards ausgehebelt werden. Die Europäische Kommission wurde von mehreren Gremien dazu aufgefordert, in Sachen Buyouts aktiv zu werden. Eine Studie zum Thema Buyouts wird durch das CEIPI (Centre d´études internationales de la propriété intellectuelle) erstellt und vom Rechteausschuss des Europaparlaments veröffentlicht. Weiter wird eine Studie im Auftrag der EU-Kommission zu Buyouts von einem Konsortium unter der Leitung des Marktforschungsunternehmens Kantar durchgeführt; die Studie soll bereits im Sommer 2024 vorliegen. Auch im Bereich Streaming tut sich somit viel.
Die Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte haben bei zahlreichen Sitzungen, Studienveröffentlichungen, Diskussionen und Panels Präsenz gezeigt und sich für die Rechte der Musikschaffenden eingesetzt.
Workshop des Aufsichtsrats im Mai 2023
Im Mai 2023 traf sich der Aufsichtsrat zu einem zweitägigen Workshop in der GEMA in München. Inhaltliche Themen waren unter anderem die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Mitgliederversammlung, des Deutschen Musikautor*innenpreises und der Akademie Deutscher Musikautor*innen. Unterschiedliche Ansätze und Zielbilder wurden diskutiert und das weitere Vorgehen beschlossen. Weiter hat sich der Aufsichtsrat mit dem Rollenverständnis seiner Gremienmitglieder befasst und Grundsätze zur Zusammenarbeit in der Gruppe festgelegt.
Im vergangenen Jahr hat sich der Aufsichtsrat einen Verhaltenskodex erarbeitet, welcher auch auf der Website der GEMA einsehbar ist.