Der Veranstaltungsbereich gilt für viele Künstlerinnen und Künstler als wichtigste Einkommensquelle: entweder durch Live-Auftritt auf Konzerten, Festivals und Tourneen, aber durch die Ausschüttung der GEMA Tantiemen aus Musikveranstaltungen, auf denen die eigenen Werke gespielt werden. Doch auch die Veranstaltungsbranche leidet unter „Post-Covid-Symptomen“ und erreicht nur allmählich das Niveau vor der Pandemie. Über die möglichen Gründe dafür haben wir uns mit einem unterhalten, der es wissen muss: Stephan Rusch, Geschäftsführer der München Ticket GmbH.
Herr Rusch, „Ohne Kunst und Kultur wird’s still“ hieß es während der Corona-Pandemie. Ist es inzwischen wieder lauter geworden?
Ja, es ist klar und deutlich wieder lauter geworden. Aus meiner Sicht hat dies allerdings erst im Dezember 2022 begonnen. Da konnten wir eine verstärkte Nachfrage an Tickets für Kultur feststellen. So laut wie 2019 ist es zwar noch nicht, aber es wird jeden Tag etwas geräuschvoller. Wir stellen fest, dass sich unsere Kundinnen und Kunden ihre Tickets erst relativ kurz vor einem Event besorgen. Die meisten haben wohl Angst vor kurzfristigen Absagen und verzögerten Rückerstattungen, was in der Pandemie ja häufiger passiert ist. Aber gleichzeitig wollen die Kundinnen und Kunden auch wieder Kultur konsumieren und tun dies erfreulicherweise immer intensiver.
Betrifft dieses Phänomen alle Arten von Musikveranstaltungen oder läuft der Vorverkauf in manchen Sparten heute bereits besser als in anderen?
Gravierende Unterschiede lassen sich nicht feststellen. Aus meiner Sicht hängt der Bereich Ernste Musik dem der Unterhaltungsmusik ein wenig hinterher. E-Musik wird von der älteren Generation stärker nachgefragt, die wohl mehr Wert auf Sicherheit legt. Hinzu kommt, dass diese Altersgruppe das Sparen gelernt hat. Die Kombination aus Corona-Nachwirkungen und Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zeigt sich bei den Absätzen der E-Musik also etwas deutlicher als bei der U-Musik.
Welche Lerneffekte hat die Veranstaltungsbranche aus den letzten drei Jahren gezogen?
Die Branche hat auf jeden Fall gelernt, dass sie mit den Besucherinnen und Besuchern besser kommunizieren muss. Informationen per Newsletter oder Push-Nachrichten haben zugenommen, um dem Publikum mehr Sicherheit zu geben. Und es wurden neue Formate geschaffen, die früher nicht denkbar gewesen wären, zum Beispiel Live-Streams von Konzerten. Daneben hat es die Branche aber auch geschafft, Veranstaltungen zu organisieren, die mit Abstand, Hygienevorschriften und personalisierten Tickets funktionieren. Das mag nicht immer wirtschaftlich gewesen sein und aus der Not geboren – war aber oft toll umgesetzt. Auch neue Veranstaltungsstätten wurden er- und gefunden – oder alte wiederbelebt bzw. zweckentfremdet, wie das Autokino beispielsweise. All dies bedeutet nicht, dass wir für eine neue Pandemie nun besser gerüstet wären. Das ginge auch gar nicht. Live-Entertainment bleibt Live-Entertainment. Dafür gibt es einfach keine echte Alternative.