KI-Charta der GEMA
Grundsätze für ein konstruktives und faires Zusammenspiel von menschlicher Kreativität und generativer Künstlicher Intelligenz.
Präambel
Die KI-Charta der GEMA ist ein Beitrag zur immer drängender werdenden Diskussion über ethische und rechtliche Grundsätze im Umgang mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI). Die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Technologie auf Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft sind bereits jetzt deutlich zu spüren.
Die in dieser Charta formulierten Grundsätze stellen den kreativen Menschen in den Mittelpunkt. Nur so können echte Innovation und Nachhaltigkeit unter fairen Bedingungen ermöglicht und das Potenzial der generativen KI für alle Beteiligten voll ausgeschöpft werden. Kreative menschliche Leistung ist die Basis jeder generativen KI.
KI – auch generative KI – ist inzwischen Bestandteil unserer Lebensrealität, im Privaten wie im Beruflichen. Die GEMA nutzt KI zur Optimierung von Prozessen. Sie informiert ihre Mitglieder umfassend über die laufenden Entwicklungen und bietet über Partnerschaften oder Kooperationen die Vermittlung KI-basierter Tools an, die das menschliche Schaffen erleichtern oder ergänzen können. Ebenso nutzen die Mitglieder der GEMA, über 95.000 Musikschaffende und Verlage, immer häufiger KI-Tools als Unterstützung für den kreativen Schaffensprozess. Auch generative Künstliche Intelligenz sehen wir daher als Chance, ohne dabei die Risiken auszublenden.
Die KI-Charta der GEMA soll als Denkanstoß und Leitfaden für einen verantwortungsvollen Umgang mit generativer KI dienen. Sie soll dazu beitragen, die transformative Kraft dieser faszinierenden Technologie in konstruktive Bahnen zu lenken.
Zehn Grundsätze für die Nutzung von KI
#1: Digitaler Humanismus – der Mensch im Mittelpunkt
#1: Digitaler Humanismus –der Mensch im Mittelpunkt
Die Entwicklung der generativen KI ist dem Wohl des Menschen verpflichtet.
Die GEMA fördert kreatives Musikschaffen unter Nutzung der neuen technologischen Möglichkeiten. KI kann als Werkzeug die Möglichkeiten und kreativen Fähigkeiten des Menschen erweitern und bereichern. Sie ist aus dem kreativen Schaffensprozess kaum noch wegzudenken. Sie darf aber menschliche Kreativität nicht ersetzen oder verdrängen, erst recht nicht unter Ausnutzung vorbestehenden kreativen Schaffens. Die technologische Entwicklung und der Einsatz von generativer KI müssen so gestaltet werden, dass sie mit sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Fortschritt für möglichst viele Menschen einhergehen.
#2: Schutz des Geistigen Eigentums
#2: Schutz des Geistigen Eigentums
Geistige Eigentumsrechte werden geschützt.
Sie fördern Kreativität, kulturelle Vielfalt und Innovation. Sie sichern die Freiheit und Unabhängigkeit der Kreativschaffenden vor kommerzieller Ausbeutung und Missbrauch ihrer Werke durch Dritte. Das Urheberrecht schützt den schöpferischen Menschen und gibt ihm das alleinige Recht, über die Nutzung seiner Werke im Rahmen der Rechtsordnung zu bestimmen. Dieser bewährte Grundsatz muss auch im Kontext der generativen KI gelten.
#3: Faire Beteiligung an der Wertschöpfung
#3: Faire Beteiligung an der Wertschöpfung
Alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette werden fair an den Erträgen beteiligt.
Generative KI eröffnet neue Erlösquellen. Künstlerische, kreative und publizistische Inhalte bilden die Grundlage – den Rohstoff – für entsprechende Geschäftsmodelle. Ein faires Vergütungsmodell muss dort ansetzen, wo die Wertschöpfung entsteht. Daher darf es sich nicht nur auf das Training eines KI-Modells beschränken. Vielmehr müssen die wirtschaftlichen Vorteile berücksichtigt werden, welche durch die Generierung von KI-Inhalten entstehen (z.B. Einnahmen durch Abonnements) und durch die weitere Nutzung (z.B. als Hintergrundmusik oder als KI-generierte Musik auf Musikplattformen im Internet) im Markt erzielt werden. Maßgeblich für die Beteiligung ist dabei nicht der Ort des Trainings, sondern der Ort, an dem die Tools zur Generierung oder die generierten Inhalte angeboten werden. Zudem muss die Konkurrenzsituation zu von Menschen geschaffenen Werken einbezogen werden. Denn erst durch diese Werke wurden die KI-Inhalte möglich gemacht. Dies muss auch dann gelten, wenn synthetische Daten zum Training verwendet werden. Synthetische Daten beruhen ihrerseits auf menschlich geschaffenen Werken, deren Schöpfungskraft sich bei der Erzeugung von KI-Musik in diesen Inhalten fortsetzt.
#4: Transparenz
#4: Transparenz
Unternehmen, die KI anbieten, agieren transparent.
Es muss klar ersichtlich sein, welche konkreten Inhalte bzw. Werke und andere Daten für das Training verwendet werden und welche Maßnahmen diese Unternehmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Entwicklung und der Einsatz ihrer Technologie im Einklang mit geltendem Recht stehen. Hierzu zählt auch eine Erkundigungspflicht, welche Inhalte frei für das Training verwendet werden können sowie die Anfrage entsprechender Lizenzen bei den Verwertungsgesellschaften. Ebenso sollte den Nutzerinnen und Nutzern von KI-Anwendungen offengelegt werden, ob eine Interaktion mit KI stattfindet, ein Output durch KI erzeugt wird oder KI zum Kuratieren kultureller oder medialer Inhalte eingesetzt wird.
#5: Verhandlungen auf Augenhöhe
#5: Verhandlungen auf Augenhöhe
Verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Marktposition.
Der noch junge Markt für generative KI wird von wenigen großen Digitalkonzernen dominiert. Sie verfügen über die notwendigen Rechenkapazitäten, finanziellen Mittel und Infrastrukturen, um KI-Technologien schnell und erfolgreich – aber auch unter Missachtung des Urheberrechts – am Markt zu etablieren. Die daraus resultierenden Ungleichgewichte und Asymmetrien in der Verhandlungsmacht benachteiligen kleinere Agierende und Einzelpersonen. KI erfordert einen intelligenten Ordnungsrahmen, der mit ihr Schritt hält. Dazu gehört neben klaren Vorgaben und wettbewerbsrechtlichen Instrumenten vor allem die Stärkung von kollektiven Verhandlungen, um die Interessen der Betroffenen gegenüber den Digitalkonzernen gebündelt vertreten zu können. Die großen Digitalkonzerne müssen zur Achtung des Urheberrechts zurückfinden.
#6: Respekt für Persönlichkeitsrechte
#6: Respekt für Persönlichkeitsrechte
Persönlichkeitsrechte werden respektiert.
Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, schnell und effektiv gegen Verletzungen seiner Persönlichkeitsrechte vorzugehen. Dies betrifft im Zusammenhang mit generativer KI insbesondere das Recht an der eigenen Stimme, am eigenen Namen und am eigenen Bild – Rechte, die durch Phänomene wie zum Beispiel „deep fakes“ tangiert werden – und das Recht am eigenen Werk sowie generell die informationelle Selbstbestimmung, also die Befugnis selbst darüber zu entscheiden, welche Daten über die eigene Person der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
#7: Achtung der kulturellen Vielfalt
#7: Achtung der kulturellen Vielfalt
Die Vielfalt der Kulturen wird geachtet.
Generative KI darf nicht zu einer Homogenisierung kultureller Ausdrucksformen und gesellschaftlicher Strömungen führen, die das Immergleiche reproduziert und sich selbstreferenziell im Kreis dreht. KI-Modelle können nur so gut und so vielfältig sein wie die Inhalte, mit denen sie trainiert werden. Kulturelle Nischen und populäre Inhalte müssen gleichermaßen und zu fairen Konditionen berücksichtigt werden können, die Meinungspluralität muss gewahrt werden. Europas kulturelle und sprachliche Vielfalt darf beim Training der großen KI-Modelle nicht ins Abseits geraten.
#8: Keine Umgehung von EU-Regeln
#8: Keine Umgehung von EU-Regeln
Unternehmen, die KI anbieten, sind für europäische Rechtsvorgaben erreichbar.
Der digitale Raum ist grenzenlos und ermöglicht globale Geschäftsmodelle. Diese Offenheit darf jedoch nicht von großen Digitalkonzernen ausgenutzt werden, um demokratisch festgelegte Spielregeln zu umgehen oder sie einseitig zu ersetzen. Im Bereich der KI muss insbesondere sichergestellt werden, dass europäische Regelungen, Nutzungsvorbehalte und Vergütungspflichten nicht einfach dadurch ausgehebelt werden können, dass das Training außerhalb der EU stattfindet. Wer KI-Systeme anbietet, die in der EU eingesetzt werden oder die Menschen in der EU betreffen, muss sich an die europäischen Regelungen halten.
#9: Nachhaltigkeit
#9: Nachhaltigkeit
Entwicklung und Betrieb von generativer KI müssen nachhaltig gestaltet werden.
Sie müssen insbesondere unter fairen und sozialen Bedingungen erfolgen und sich auch ökologisch ausrichten. Denn sowohl das Training als auch die Nutzung von generativer KI erfordern enorme Rechenkapazitäten, die den Stromverbrauch ganzer Länder erreichen können. Dieser hohe Energiebedarf macht es notwendig, dass die Unternehmen, die KI-Technologien anbieten, Maßnahmen zur Energieeinsparung und Effizienzsteigerung ergreifen. Auch hier braucht es mehr Transparenz seitens der Anbietenden und eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, wie generative KI insgesamt nachhaltiger gestaltet werden kann – sozial, ökonomisch und ökologisch.
#10: Verantwortung
#10: Verantwortung
Unternehmen, die KI anbieten übernehmen Verantwortung.
Die Entwicklung und der Einsatz von generativer KI müssen im Einklang mit ethischen Grundsätzen und rechtlichen Verpflichtungen erfolgen, insbesondere unter Einholung entsprechender Lizenzen. Diese Unternehmen müssen sich der Auswirkungen ihrer Technologie bewusst sein und Verantwortung dafür übernehmen. Sie genießen daher zu Recht kein Haftungsprivileg („Safe Harbour”). Sie dürfen ihre Verantwortung nicht auf die Nutzerinnen und Nutzer abwälzen.
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